Die Sommerferien sind vorbei, das neue Schuljahr bereits seit einer Woche gestartet. Ab diesem Jahr darf ich wieder eine Klasse für die nächsten zwei Jahre begleiten. Hier heißt es also ganz von Anfang an, eine Beziehung aufzubauen. Das tue ich unheimlich gerne mit einer ganz kleinen Frage immer zu Beginn jeder Stunde: „Wie geht´s euch?“

Meine Klassen und Kurse aus dem vergangenen Schuljahr kennen dieses Ritual schon. Small Talk ist nicht mein Ding, obwohl die Frage nach dem Wohlergehen eine bekannte Floskel ist. Wenn ich frage „Wie geht es dir?“, erwarte ich eine ehrliche Antwort, sie darf auch gerne ein paar Sätze länger sein. Diese Frage schlich sich so ein – ich habe mir gar keine Gedanken darüber gemacht. Da ich meine Klassen schon immer als Teampartner gesehen habe, begann ich, wie bei Freunden auch, einfach zu fragen: „Wie geht´s euch denn heute?“ Dass mein Interesse an den Schüler:innen ehrlich gemeint ist, merkten diese und nehmen seither diese Frage dankbar an. Ich bin nicht interessiert daran, mein Fach direkt und unvermittelt an den Menschen zu bringen, ich möchte erfahren, wie es den Menschen geht, um überhaupt einschätzen zu können, was heute überhaupt fachlich geht.

 „Wie geht´s euch“? – Eine kleine Frage, aber sie hat große Wirkung. Ich zeige meinen Schüler:innen, dass ich nicht an ihren Leistungen interessiert bin oder daran, wie Roboter mir zu folgen. Diese Frage eröffnet die Möglichkeit in Beziehung zu treten und so ganz nebenbei habe ich sofort einen Überblick über die Stimmung. Ich greife die Eindrücke der Schüler:innen schnell auf, frage gegebenenfalls nach, wenn ich merke, da steckt noch mehr dahinter, alle fühlen sich angesprochen, gesehen und gehört. Dieses Ritual dauert keine 5 Minuten! Sollte die Stimmung mies sein, weil z.B. vorher bereits zwei Stunden strenger Unterricht gelaufen ist, ist hier der Platz, kurz loszulassen. Entweder ich entscheide mich für einen kleinen Energizer oder wir reden oder ich starte – je nach Gefühl- mit einem humorvollen Einstieg in meinen Unterricht ein. Ich habe durch diese kurze Frage nicht viel Zeit verloren, aber unheimlich viel an Beziehung gewonnen. In der aktuellen Achtsamkeitszeitschrift „Flow“  gibt es einen Artikel, der mithilfe von aktuellen Studien belegt, dass Menschen glücklicher sind, wenn intensive Gespräche am Tag geführt werden statt Small Talk.  Auch dafür ist Schule da, Menschen sollen glücklich sein dürfen. Die Frage „Wie geht es euch?“ vor und dann auch nach einer Klassenarbeit zu fragen, wirkt ebenso Wunder. Zum einen werden die Sorgen der Schüler:innen wahrgenommen und sie dürfen ausgesprochen werden, zum anderen lernen die Heranwachsenden ihre Sorgen, ihre Bedürfnisse, ihre Gefühle bewusst wahrzunehmen statt sie zu unterdrücken.

Also: Wie geht’s euch, die das hier lesen, am Anfang des Schuljahres, nach den Ferien, bei der Planung einer neuen Unterrichtsreihe, beim Planen der ganzen Klassenarbeiten, beim Schreiben von Förderplänen, beim Durchstöbern meiner Homepage? Ich bin neugierig, wie es euch geht.

Eure Melissa