Nach einem Beratungstag, der früher Elternsprechtag hieß, konnte ich lange Zeit meine Gedanken nicht beruhigen und war total ausgepowert. Heute und auch im letzten Jahr kam ich entspannt und gut gelaunt vom Beratungstag nachhause und bin nun sogar noch in der Lage, meine Gedanken für den Blog hier zu notieren. Woran liegt es? Was hat sich verändert?

Die systemische Haltung hat meine Herangehensweise verändert. Ich sehe nicht den Terminplan, die Menge an Gesprächen, ich blicke mit Neugierde auf das, was die Eltern mitbringen. Ich wünsche mir bei der Terminvereinbarung, dass die Kinder mitkommen – sie sind auch das Thema im Gespräch, also sollten sie auch eine Stimme haben. Ich sehe mich nicht als Allwissende, die den Eltern sagt, wie ihr Kind sich zu verhalten hat. Ich gehe zusammen mit den Eltern und den Kindern selbst auf die Suche nach ihren Ressourcen. Ich mache das transparent, indem ich die Sicht der Eltern und die der Kinder anerkenne, sie wertschätze, da sie die Experten für ihr Leben sind. Meine Beobachtungen schildere ich dann auch als meine eigenen Beobachtungen und frage, ob diese Beobachtungen für mein Gegenüber nachvollziehbar sind. Erstaunlich, wie viel Zustimmung ich da bekomme. „Sie haben total Recht, das ist bei uns zuhause auch so.“ oder „Ich bin erleichtert, dass Sie das auch so wahrnehmen.“ – höre ich in fast jedem Gespräch. Ist es nötig, jede noch so kleine Kleinigkeit, was man als Lehrperson bezüglich des Kindes als unangenehm empfindet, zu äußern? „Das Kind kippelt mit dem Stuhl, es klappert mit dem Stift…“ Es ist immer wieder unglaublich, wie die Kinder beginnen zu lächeln, wenn sie merken, ihre Sorgen, Ängste usw. werden wahrgenommen, aber nicht bewertet. Ich frage, was in ihren Köpfen vorgeht, wenn sie oft mit dem Stift klappern. Ich benenne es als Beobachtung und frage, warum machst du das?

Es ist Wahnsinn, wie sich die Gesprächsatmosphäre verändert von einem zuerst angespannten „Hallo“ hin zu einem lockeren und freundlich dankbaren „Auf Wiedersehen, danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben“.  Das alles in 15 Minuten getakteter Gesprächszeit? Ja, das geht! Wenn sich größere Gesprächsbedürfnisse ergeben, vereinbare ich einen weiteren Termin. Aber alleine 15-minütiges Zuhören und erfragen, ob meine Wahrnehmung mit der der Eltern zusammenpasst, führt die scheinbar zwei fremdem Welten „Lehrer:in/Schule“ und „Eltern/Kind“ zusammen. Übrigens haben sich heute einige gewundert, weshalb ich nur so wenige Gesprächstermine hatte… Natürlich kann es auch Zufall sein… Ich denke aber auch, es hängt damit zusammen, dass sich keine Seite voreinander rechtfertigen muss oder sich beweisen muss und somit den Elternsprechtag in Anspruch nehmen muss. Gespräche, die früh genug persönlich und in gemütlicherem Zeitrahmen stattfinden, weil es Herausforderungen zu meistern gibt, sowie Gespräche mit den Schüler:innen im Schulalltag entlasten mehr als man denkt. Die Kinder selbst teilen den Eltern dann auch mit, dass für sie alles ok ist. Dann kommen die Eltern schon gut gelaunt ins Gespräch, weil sie einen „nur“ kennenlernen wollen. Das bringt ebenso angenehme Atmosphäre.

Immer wieder stelle ich fest: Gespräche aller Art sind lohnende Mehrarbeit!

Eure Melissa