„Der Klassenrat lief schon gut, aber das geht auch besser. Sie haben zwar gesagt, das habe ich gut gemacht, aber ich will es sehr gut hinbekommen. Da fehlen aber noch Haken auf dem Blatt, was habe ich falsch gemacht? Ich habe eine 1 -, was fehlt um eine glatte 1 zu bekommen?“

Meine Klasse sieht meist nur das Negative. Es fällt ihnen schwer, positive Eigenschaften an sich, gelungene Aktivitäten und geschaffte Herausforderungen zu sehen und diese als Erfolge zu verbuchen. Nur die Defizite werden gesehen und man meldet ständig Optimierungsbedarf. Antrainiert über die Jahre, bereits im Kindergarten wird geschaut, dass jede:r bestimmte Dinge gut kann, um den Schritt in die Schule zu schaffen. Natürlich müssen gewisse Grundkompetenzen, wie einen Stift zu halten, Formen zu erkennen und Dinge auszuschneiden motorisch gekonnt werden, aber ob man z.B. den Stift links oder rechts in der Hand hält, ist doch egal. Später dann im Schulsystem wird es immer schlimmer und noch normierter. Schneller, höher, besser – darum geht es. Nur „sehr gut“ ist gut.

Ich gebe nicht auf, in jeder Stunde überlegen wir, was gut in der Klasse gelaufen ist. Bei jedem Feedback lege ich Wert darauf, Gelungenes besonders hervorzuheben. Formulierungen wie „Wenn du möchtest, kannst du noch folgenden Tipp annehmen…“ können z.B. entlasten, den Druck nehmen, unbedingt etwas besser zu machen.

Mein Weihnachtsgeschenk an jede:n Schüler:in ist eine handgeschriebene Karte mit den Sätzen: „Schön, dass du in der 7b bist! Nimm mit in die Ferien und das nächste Jahr…“ – und dann habe ich zu jedem Kind Eigenschaften notiert, mit denen die Kinder aufgefallen sind. Selbst ruhige Schüler, die nie etwas sagen und deswegen miese mündliche Noten kassieren, haben zu hören bekommen: „Du reagierst immer ruhig und besonnen, dich bringt keine Stresssituation aus der Ruhe!“

Ich habe den Kindern nur ein gefaltetes und beschriebenes Stück Papier überreicht, aber sie konnten nicht abwarten, es zu öffnen. Die Neugierde war doch zu groß – also dann auch das Bedürfnis nach Lob, nach Positivem sehr groß!

Aus den Augenwinkeln habe ich stilles Lächeln bei dem ein oder anderen Kind gesehen. Das macht mich froh.

Wie sehr wir unsere Schützlinge stärken können, ist unglaublich. Wir müssen dies immer öfter tun!

Wir sind alle tolle Menschen, alle haben Ecken und Kanten, aber jede Ecke und Kante ist für etwas gut.  Das betrifft auch dich!

Habt Mut den Blickwinkel zu verändern.

Habt eine besinnliche Weihnachtszeit, erholsame Ferien und kommt gut ins neue Jahr!

Eure Melissa